Beruflich habe ich in der fast 10-jährigen Arbeit mit von häuslicher Gewalt betroffenen Menschen „das Laufen gelernt". Dabei habe ich neben der Mitarbeit in einer Frauen- und Kinderschutzwohnung auch eine Beratungsstelle für Menschen mit Gewalt- und Stalking-Erfahrungen in Döbeln geleitet.

Paradox an diesem sehr speziellen Arbeitskontext der häuslichen Gewalt ist, dass „Familie" eben nicht ausschließlich der Ort der Geborgenheit, Nähe und Vertrautheit ist, sondern eben auch ein Ort der Schikane, Bedrohung, Misshandlung, Vergewaltigung und (verfolgen wir die Nachrichten) schlimmstenfalls auch des Mordes sein kann.

Wie Sie möglicherweise ebenfalls, hat mich die Frage beschäftigt, wie es kommt, dass Menschen bereit sind, dies zu erdulden, in ständiger Angst schmerzvoll zu (über-)leben. Die vielen vertrauensvollen Beratungen mit diesen Menschen haben mir gezeigt, dass wir alle in Verhaltensmustern, Glaubenssätzen und Rollenerwartungen verstrickt sein können –sozusagen als unser „inneres Betriebssystem". Diese können positiv sein, bestenfalls freuen wir uns dankbar, was uns unsere Eltern mit auf den Weg gegeben haben. Aber ebenso auch destruktiv, lassen uns wieder und wieder die gleichen Fehler begehen ( z.B. die „falschen" Partner wählen, uns wiederholt ausnutzen zu lassen, …). Dies war wohl die Geburtsstunde meiner Entscheidung, mich zur Therapeutin ausbilden zu lassen.

An dieser Stelle sei all den Menschen gedankt, die mich an ihren Lebensgeschichten vertrauensvoll teilhaben ließen. Die beratende und therapeutische Arbeit mit Menschen ist für mich eine der spannendsten und dankbarsten Tätigkeiten, die ich mir vorstellen kann!